Ein Nachtschichter, der im Spiegelthaler Pochwerk arbeitet und eben untergeschürt hat, setzt sich an einem schönen Sommerabend vor das Pochwerk auf die Bank und verzehrt sein Abendbrot. Die Tannen riechen so angenehm, und die Vögel singen so schön, daß es eine wahre Lust ist, da so allein zu sein. Als der Nachtschichter so recht vergnügt über das alles ist und sich über die Welt freut, die der liebe Gott so schön gemacht hat, kommt ein Vogel geflogen und legt sich dem Nachtschichter gegenüber auf einen Tannenzweig; dann hüpft er näher zu dem Nachtschichter. Es ist, als wolle er sich ordentlich sehen lassen. Als aber dieser aufsteht und dem Vogel näher kommt, da fliegt das Thierchen fort und ist in den Tannen verschwunden. Am andern Abend nimmt der Nachtschichter etliche Leimruthen mit an die Arbeit, bindet dann eine starke an eine lange Stange und denkt damit den Vogel zu ergattern, wenn er wieder käme. Anfänglich läßt der Wundervogel lange auf sich warten, am Ende erscheint er; als aber der Nachtschichter ihm mit der Leimruthe nahe kommt, zieht er sich zurück und verschwindet wieder im Tannenwald. So geht’s drei Tage. Am dritten Abend Lockt der Vogel den Nachtschichter den Berg hinauf und da läßt er sich fangen. Kaum hat ihn aber der Nachtschichter in der Hand, so verwandelt sich der Vogel in eine wundersam schöne Jungfrau, die sieht ihn so freundlich, so herzinnig an und spricht: Ich sehe aus der Mühe, die Du dir meinetwegen gegeben hast, daß Du mich gern haben willst, küsse mich, so bin ich erlöst, und Du wirst glücklich Dieser aber ist blöde und schüchtern, wagt die schöne vornehme Dame, die in grünem seidenen Kleide vor ihm steht, nicht anzurühren, noch viel weniger zu küssen und zieht sich scheu und langsam zurück. Sie seufzt und bittet und sieht ihn so flehentlich an; er ist aber so dumm und erfüllt ihren Wunsch nicht. Da geht sie weinend fort und verschwindet mit einem Seufzer im Walbe. Kaum ist sie verschwunden, so fängt ihn sein Betragen an zu reuen, er wendet um, sucht sie, sie ist aber nirgends zu finden. Aus Gram, daß er das hübsche Mädchen nicht erlöst hat, wird der Nachtschichter krank und in neun Tagen ist er todt. In seiner Krankheit hat er die Geschichte erzählt. Bei der Beerdigung folgten viele junge Mäbchen der Leiche, und als der Sarg hinabgelassen wird, kommt ein wunderschöner Vogel aus der Luft herab und fällt mit einem herzzerreißenden Pfiff in das Grab hinein. Alle Folger haben’s gehört und gesehen. Das ist wahrscheinlich das unglückliche Mädchen gewesen und dadurch wird sie auch erlöst sein.
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HMG31 – Der Hackeklotz
Ach, spricht der Mann, das solle er nur lassen. Ob er nicht mit ihm gehen und bei ihm bleiben wolle, für gutes Abendbrot und auch gute Schlafstelle solle er nicht sorgen, die solle er haben.
I, sagt der Handwerksbursch,
das ist’s ja gerade, was ich nur will. Morgen geht’s weiter, was kümmert mich die Krönung, ich krieg’ doch nichts davon.Er geht also mit dem kleinen freundlichen Mann.
Unterwegs spricht der, morgen käme er aber nicht wieder weg, denn er hätte viel im Willen mit ihm, wenn er wolle, so könnte er hier ein wunderschönes neues Haus ganz für umsonst kriegen. Das wird einem nicht immer geboten, sagt der Handwerksbursche, an mir soll’s nicht liegen, wenn’s nichts wird. So kommen sie mit einander nach Haus. Der Wirth läßt gleich auftragen, was giebst du, was hast du; auch Wein und Bier, so viel der Gast trinken will
; der thut sich natürlich recht bene; und der freundliche kleine Mann erzählt ihm dabei: draußen vor dem Thore hätte er ein wunderhübsches Haus stehen, das hätte er von seiner alten Base geehrbt; das wäre so wundervoll inwendig und auswendig und läg’ in einem Garten, der wäre wie ein Paradies. Das Schlimmste dabei wäre, daß Niemand des Nachts darin bleiben könnte; es spukte darin. Des Abends und des Nachts wage sich Keiner hin, er selbst auch nicht. Ob er das wohl erlösen könnte, frägt er den Handwerksburschen. Ach
, sagt dieser, das wäre ja Narrenspossen, Spukerei gäb’s nicht, und Erlösen wär nicht nöthig. Das würde wohl Alles natürlich zugehn. Wenn’s da was gesetzt hätte, und hätte die Leute herausgejagt, oder hätte ihnen einen Denkzettel gegeben, so wären das gewiß Spitzbuben, die das gethan hätten. Das wollte er nicht sagen, spricht der Wirt, Manchen hätte es schon das Leben gekostet und jetzt gieng Keiner des Nachts dahin, vielweniger in’s Haus, und wenn er (der Handwerksbursch) das thun wolle, und drei Nächte darin kampieren, so verspräch er ihm das Haus, wie es da wäre und mit allem, was dazu gehöre. Sie schlagen ein, d.h. sie geben sich die Hand darauf. Der Handwerksbursch will gleich noch hin, der Wirt soll ihn nur hinbringen; der will aber nicht, und spricht: Morgen, wenn’s Tag wäre, wollten sie erst einmal mit einander hin und sich die Geschichte ansehen; dann müßten doch auch Sachen hingebracht werden, denn das Haus wäre ganz leer; es wäre auch nicht einmal ein Stuhl darin. Damit ist der Handwerksbursch zufrieden und geht dann zu Bett und schläft, wie ein Stein und träumt schon von dem schönen Schloß, das er haben soll.
Des Morgens darauf steht er auf, frühstückt mit seinem Wirt und darnach gehen sie einander nach dem verwünschten Haus; denn verwünscht ist es gewesen, wie sich nachher gezeigt hat. Der kleine Mann schließt auf, sie gehen hinein, durch alle Stuben und Kammern unten und oben, in die Küche, Speisekammer und den Keller, besehen sie; auch den Stall gehen sie durch; es ist aber alles leer, dabei alles gut und ordentlich eingerichtet. Als sie alles besehen haben, sucht sich der Handwerksbursch eine Stube aus, obenauf, mit einer Thür; ist auch hübsch groß gewesen und sagt zu seinem Wirt, ob er nun so gut sein wolle und für ihn ein Bett, einen Tisch und Stuhl, ein Licht und ein Buch herbringen lassen; das Buch müßte aber gut gehen, damit ihm die Zeit nicht zu lange daure. Das wird auch alles an dem Tag hingebracht; unterdessen bleibt der Handwerksbursch, es ist ein Schneider gewesen, bei seinem Wirt und lebt den Tag kötenvergnügt und puppenlustig; sie gehen auch mit einander aus in die Wirtshäuser, und der kleine Mann läßt sich’s ordentlich was kosten.
Des Abends, als sie auch erst gehörig vorgelegt haben, und der Schneider hat sich dick stempel voll gegessen und getrunken, geht er hin nach dem verwünschten Haus, schließt auf und macht sich in sein Zimmer. Hier setzt er das Bett, den Tisch und Stuhl mitten in die Stube, zieht mit Kreide einen Kreis um die Sachen, schließt dann die Thüre dichte zu, nämlich die Hausthüre vorn und hinten; eben so die Thür zu seiner Stube. Alles ist ruhig im Haus, es läßt sich nichts hören und sehen darin. Als er nun alles noch einmal durchgegangen hat, ob es in Ordnung ist, setzt er sich an seinen Tisch auf den Stuhl hinein in den Kreis, kriegt sein Buch vor und fängt an zu lesen; es ist ein hübsches Buch gewesen, das von Gottvertrauen und von Beistand Gottes in der Noth gesprochen hat, daran erbaut er sich recht und liest und liest bis es elf schlägt. Da hört er auf einmal ein Gehen und Laufen draußen auf dem Vorsaal, die Treppen auf und nieder, als wenn die Bedienten recht eilig zu thun haben; er hört das Feuer in der Küche knädern und knacken, auch Kutschengerassel vor der Thür und im Hof, aber kein Wort; es geht alles so geheimnißvoll, so geisterhaftig, so recht gespensterhaftig. Das ist ihm denn doch nicht einerlei, er bleibt aber auf seinem Stuhl vor dem Tisch im Kreise sitzen und denkt, wenn dir’s nur vom Halse bleibt.
Das dauert so hin bis halb zwölf; da prellt’s mit furchtbarem Gekrach gegen die Stubenthür, daß sie auffliegt und dann kommen sieben Männer herein, einer hat noch immer schlimmer ausgesehen, wie der andere, mit gefährlichen Prügeln in den Händen und stellen sich um den Kreis herum, in dem der Schneider sitzt. Alle glotzen ihn an, als wollten sie ihn durchbohren mit den Augen. Die Knüppel haben sie hoch, doch stehen sie still und so bleiben sie stehen bis es zwölf schlägt; mit dem letzten Schlag ist kaum der letzte zur Thür hinaus, so schlägt die Thür auch wieder zu, und alles ist still, wie’s vor elf gewesen ist.
Der Schneider erholt sich erst von der Angst, denn es hat ihm an jedem Haar ein Tropfen Schweiß gehängt vor Angst; er hat natürlich gemeint, die sieben wollen ihn todtschlagen. Wie’s halb eins ist und alles ruhig bleibt, legt sich der Schneider in’s Bett und schläft wie ein Ratz. Des Morgens, kaum graut der Tag, da kommt auch der kleine freundliche Mann und will sehen, ob er noch am Leben wäre. Als er an’s Haus klopft, guckt oben aus dem Fenster der Schneider froh und wohlgemuth.
Na, wie gieng’s diese Nacht
, ruft der von unten; recht gut
, der von oben. Nun wird aufgeschlossen; der Schneider muß mit dem Kleinen nach Haus, da wird tüchtig gefrühstückt und dabei fragt der Wirt, was in der Nacht dem Schneider passiert wäre. Der Schneider sagt, er glaube, es wäre besser, wenn er nicht eher etwas davon sage, bis alles vorbei sei. Das hält der Kleine auch für gut und so wird nicht weiter darnach gefragt und nichts davon gesagt. Der Schneider ist ganz lustig und denkt, du sollst dir’s heute noch zu gute machen, morgen lebst du vielleicht nicht mehr; denn gräulich ist die Geschichte doch.
Der Abend kommt wieder heran. Der Wirt läßt auftragen das Schönste und Beste, der Schneider holt tüchtig davon zu und um zehn geht er hin nach seinem Nachtquartier. Diesmal ist ihm aber doch etwas mehr Angst um’s Herz. Er hat’s aber angefangen, nun will und muß er’s auch vollenden. Oben auf seiner Stube zieht er noch einen Kreis um den ersten mit Kreide, steckt sein Licht an, holt sein Buch vor und setzt sich hin und liest. Es geht alles akkurat so wie gestern Abend. Nur, wie die Thür aufspringt, bringen Vier einen Sarg herein, nehmen den Deckel ab, setzen den dabei hin und in dem Sarg liegt ein wunderhübsches Mädchen und ist todt. Das bleibt liegen bis Dreiviertel auf zwölf, dann richtet es sich im Sarg auf, sieht ihn so freundlich an, als wenn’s sagen will, erlös mich doch und streckt die Hände nach ihm aus. Der Schneider aber bleibt ruhig sitzen und sieht das arme Mädchen an. Keiner sagt ein Wort. Wie’s bald zwölf ist, legt sich das Mädchen wieder im Sarg zurecht, die Vier legen den Deckel auf den Sarg und gehen damit zur Thür hinaus. Da schlägt die Thür von selbst zu, daß das ganze Haus bebt und dann ist Alles still. Die Geschichte ist aber dem Schneider nicht so fürchterlich gewesen, wie gestern Abend. Er hat das arme Mädchen bedauert, sich aber nicht geängstigt; deshalb läßt er doch aber das Licht brennen und legt sich zu Bett. Natürlich er schläft wieder, wie ein Stein.
Des Morgens holt ihn sein Wirt wieder ab, und wundert sich nicht wenig, daß der Schneider noch lebt; denn in der zweiten Nacht sind die Vorigen meistens todt gemacht, die sich in das Haus wieder gewagt haben. Beim Frühstück sagt der Wirt, zwei Nächte hätte er glücklich hingebracht, die dritte aber wär’ die schlimmste, da wär’ noch keiner davongekommen. O
, sagt der Schneider, ihm thäte Niemand etwas. Er hätte ein gutes Mittel, das wäre gegen Hölle und Teufel gut. Der Wirt sagt darauf: Wenn er, der Schneider, morgen früh noch lebe, so gehöre ihm das Haus.
Nun gut. Der dritte Tag geht auch hin, und dem Schneider wird nicht wohl zu Muth, wie es anfängt, dunkel zu werden. Das schöne Abendessen will diesmal nicht rutschen. Er ist verstimmt, thut sich’s aber nicht aus. Um zehn reicht er seinem Wirt die Hand und sagt, lebt wohl, wenn ich umkomme, so wißt ihr, daß ich nicht feig gewesen bin.
Der Wirt empfiehlt ihm Gottvertrauen und Muth, und so macht sich der Schneider fort, und macht einen dritten Kreis um die beiden ersteren und setzt sich hinein. Dies geht auch wieder alles so, wie die vorigen Abende. Nur wie die Thür aufspringt, da bringen zwei einen Hackeklotz und dann kommen noch ein alter Mann und eine alte Frau herein; die Frau hat eine große, schwarze Katze unterm Arm, die immer fort will, aber nicht kann, dann aber den Schneider mit ihren großen Augen anguckt, als wenn sie ihn zerreißen möchte. Der Mann hat aber ein blankes, scharfes Hackebeil in der Hand und kommt auf den Schneider zu. Das wird aber arg, nun geht’s dir an’n Kragen
, denkt der Schneider, und der Angstschweiß fließt ihm von der Stirn, doch bewegt er sich nicht von seinem Platz; diesmal, wie sonst, bleibt alles außer den Kreisen. Der Hackeklotz aber und der Mann mit dem Beil steht dicht neben ihm. Endlich winkt ihm der Mann, er soll das Beil hinnehmen. Der Schneider denkt, thust du’s, oder thust du’s nicht!
Geht erst lange mit sich zu Rath. Endlich nimmt er das Beil hin und meint, dann kann dich der doch nicht damit todtschlagen.
Kaum hat er’s hingenommen, so faßt der Mann die schwarze Katze beim Kopf, die Frau faßt sie an die Hinterbeine und legen sie auf den Hackeklotz. Die Katze wehrt sich, beißt und kratzt, was das Zeug halten will, es hilft aber nichts, sie kommt nicht los. Da winkt der Mann dem Schneider, er soll der Katze den Kopf abhacken. Da ist er denn nicht faul. Bautz! da liegt der Kopf. In dem Augenblick aber ist auch der Schneider vor Schreck zur Erde gestürzt; denn es ist gewesen, als wäre ihm auch der Kopf vom Rumpfe geschlagen.
Wie er ein wenig später wieder zu sich kommt, hört er so dumpf ein Laufen und Rennen um sich, viele Leute stehen um sein Bett. Er fühlt, der Arzt hält seine Hand und untersucht den Puls. Alles ist ihm ein Wirrwarr, so kurios; endlich schlägt er die Augen auf. Sein erstes ist, was er erblickt, das hübsche Mädchen, das im Sarg gelegen hat. Die steht vor ihm und küßt seine Hand, nachher auch seine Stirne und nennt ihn ihren theuren Retter. Der alte Herr und die Dame sind auch da im Zimmer, Bediente stehen an der Thür, und der Doktor sitzt vor ihm am Bette und wünscht ihm Glück dazu, daß er wieder erwacht ist. Alles ist um ihn herum verwandelt, alles erlöst. Das Haus ist nun ein prächtiges Schloß und alles bewegt sich so, wie er es in den Nächten gehört hat. Das junge Mädchen ist ein Edelfräulein, die Alten die Eltern von ihr. Kurz, alles ist wieder so, wie vor der Verwünschung, die eine Hexe gethan hat und der nun durch den Schneider der Kopf abgehauen ist. Der kleine freundliche Mann kommt darnach auch und freut sich, daß das Wagestück gelungen ist und schenkt dem Schneider das Haus. Das junge Mädchen wird seine Braut und nicht lange darnach seine Frau. Da ist aus dem Schneider ein reicher, vornehmer Edelmann geworden, der alle Tage in Kutschen und Karossen hat fahren können, und er ist der glücklichste Mann gewesen, den’s hat geben können. Auch hat er die Alten bei sich behalten, bis sie gestorben sind. Natürlich ist der kleine freundliche Mann sein bester Freund geblieben bis an sein Ende. Das bringt der Muth zuwege.
(von August Ey)
HMG27 – Die Strafe
Einst, da er auch auf Raub ausgegangen war und nichts ergattert hatte, wollte er wieder in seine Höhle zurückgehen. Da steht mit einem Male ein kleines freundliches Männlein vor ihm, hat einen Rock an, der mit Gold und Silber wie übersäet ist. Der Räuber geht dem Kleinen mit seinem Spieße zu Leibe; Trotz alles Bittens und Flehens stößt er ihn nieder. Indem er aber zur Erde stürzt, so steht ein grimmiger Hirsch vor dem Bösewicht, und eh dieser sich besinnen kann, that er ihn schon auf seinen langen Hörnern, eilt mit ihm auf einen hohen Berg und wirft ihn von da von einem vorspringenden Felsen hinab, daß er beide Beine bricht und nun nicht mehr von der Stelle kann. In solch trostloser Lage muß er einen schrecklichen und schmachvollen Hungertod sterben, und die Raben haben dann sein Fleisch verzehrt.
(von August Ey)
HMG22 – Der Zauberring
I, denkt er,
du gehst hinaus in den Wald und holst dir ein Schulterstückd.h. eine Stange Holz. Die Pfeife wird angesteckt, Taback in Beutel gethan und nun soppt er langsam die Schulenberger Höhe hinauf und in den Wald hinein. Dort weiß er zwei trockene Bäume, von grünen darf er nichts, sonst kriegte er mit dem Förster Krakeel. Er kommt bald hin; aber es steht nur noch ein trockener Baum und der andere ist ein Apfelbaum und daran hängen mehrere Äpfel.
Spaßes halber mußt du dir doch einen Apfel davon mitnehmen; denn Apfelbäume im Tannenwald, das ist eine große, eine sehr große Seltenheit hier auf dem Harze,
denkt er. Er schlägt sich also einen Apfel mit einer Stange ab und steckt ihn bei, darauf macht er sich sein Schulterstück zurecht, huckts auf und geht nach Haus. Im Holzschauer setzt er’s in die Ecke, und denkt, morgen holst du dir noch eins und so alle Tage bis zum Sonnabend, dann schneidest du’s und kriegst dann schon ein artig Theil Winterholz
, dann geht er in die Stube, holt seinen Apfel aus der Tasche und will ihn essen. Als er hineinbeißt, kommt er auf etwas hartes, und sieh, es steckt ein goldner Ring darin.
Hättest du dir doch alle Äpfel abgeschlagen, so hättest du heute genug verdient.
Es ist wohl noch Zeit; gleich macht er sich noch einmal fort, ist auch bald wieder dort. Aber wer nicht dort ist, das ist der Apfelbaum mit seinen Äpfeln. Nimmst du dir ein Schulterstück wieder mit, so hast du doch etwas für deinen Weg.
Er steckt den Ring an den Finger, bisher hat er ihn in der Hand gehabt und oft besehen und sich darüber gefreut. Nun steckt er ihn an; denn sonst wäre er ihm im Wege gewesen. Er ladet wieder auf und fort geht’s nach Haus.
Unterwegs begegnen ihm Leute, die laufen weg; er weiß aber nicht, warum. Wie er nach Zellerfeld kommt, laufen die Alten und die Jungen vor ihm weg; er weiß nicht, warum. So geht’s auch, als er auf den Hof kommt, und seine Kinder sind da, die laufen in’s Haus; er weiß aber noch nicht, warum. Zuletzt geht er in die Stube, wo seine Frau und seine Kinder sind, er frägt: Warim laft ihr denn vor mer wack?
Da wollen sie auch alle wieder ausreißen. Er riegelt aber gleich die Thür zu. Da klärt sich’s auf. Sie hören ihn wohl, können ihn aber nicht sehen; das ist so schaurig gewesen.
Da fällt ihm der Ring ein, er zieht ihn ab und da sehen sie ihn in der Stube stehen. Nun erzählen ihm seine Kinder, da wäre ein Stück Holz durch den Thorweg gekommen, das hätte in der Luft geschwebt und Niemand hätte es getragen, auch wär’ es so in den Holzstall gegangen und hätte sich in die Ecke gestellt und darum wären sie vor Furcht herein gelaufen; da in der Stube hätten sie seine Stimme gehört und ihn nicht gesehen, da wären sie noch banger geworden. Jetzt weiß er Bescheid, der Ring macht ihn unsichtbar. Er probiert ihn nun erst ordentlich und richtig, es ist so, wer ihn anzieht, der ist gleich unsichtbar. Damit hat der Bergmann denn Manches belauscht und hat vieles gesehen, was andere nicht gesehen haben.
Als er aber todt gewesen ist, da ist auch der Ring weg gewesen.
(von August Ey)
HMG21 – Der Bielstein
Das Mädchen steigt von dem Raben ab, der Bergbursche hin nach ihm, und das niedliche Kind kommt auf ihn zu und reicht ihm die Hand und spricht, er solle mit ihm gehen. Natürlich er thut es und geht mit. Es führt ihn an den Felsen, zieht ein Stöckchen aus dem Busen und klopft dreimal an den Stein, da thut sich der Felsen auf, und sie gehen mit einander hinein. Ach
, sagte das Mädchen, mein Lieber, willst du mir einen Gefallen thun, und willst mich unglückliches Geschöpf erlösen? Ich bin von einer bösen Hexe verwünscht und kann nur alle hundert Jahre einmal drei Tage Mensch werden. Jetzt ist schon der zweite Tag vorbei, morgen ist der letzte, dann muß ich wieder hier in diesem dunklen Felsen sitzen und hundert Jahre warten, ehe ich wieder Mensch werde, wenn mich keiner bis morgen erlöst.
Ja,
sagte der Bergbursche, womit kann ich dich denn erlösen?
Ach,
spricht sie ganz traurig und betrübt, komm morgen mit drei weißen Rosen hierher, die Höhle wird offen sein, du mußt dich aber nicht fürchten, auch bei Leibe nicht sprechen. Dann machst du ein Feuer hier auf dieser Stelle an, das Holz mußt du mit herein bringen und wirfst die drei Rosen in’s Feuer, daß sie verbrennen, dann bin ich erlöst und du wirst recht reich und glücklich.
Der Bergbursche verspricht ihr, er will Alles thun. Nun stehen da große Truhen voll Gold und schöner Edelsteine. Hier,
sagt sie, nimm dir einstweilen, so viel du willst, damit du siehst, ich meine es treu, und du bist gewiß auch treu und hältst Wort.
Er schwört sogar, daß er Wort halten will, darauf steckt er sich die Taschen voll Gold und Edelsteine, dann bringt ihn das Mädchen auf den rechten Weg, daß er sich nach Haus finden kann. Er ist gar nicht weit von Lautenthal gewesen und weiß nun gleich Bescheid.
Des andern Morgens läuft er in ganz Lautenthal herum, und kann und kann erst keine einzige, vielweniger drei weiße Rosen kriegen; denn es ist Winter gewesen, wo man keine weißen Rosen hat. Endlich kriegt er doch noch seinen Willen und freut sich wie ein König, daß er noch drei weiße Rosen kriegt; es ist schon Dämmerung gewesen und die höchste Zeit. Nun läuft er gleich hin nach dem Felsen, jetzt nennt man’s den Bielstein, der ist offen. Er sucht sich erst einen Arm voll Äste; Stahl, Stein und Schwamm und Schwefelsticken hat er auch mit und geht in die Höhle. Es ist noch alles, wie gestern, nur das hübsche Mädchen ist nicht da.
Er legt nun das Holz zurecht und mach Feuer. Wie er aber den Schwefelstock anstecken will, so kommt ein furchtbarer großer Kerl und giebt ihm eine Ohrfeige, daß ihm die Gedanken vergehen, und er besinnungslos zur Erde fällt.
Wie lange er da gelegen hat, das weiß er nicht, endlich macht er sich auf und kriecht heraus und geht Heim. Von der Zeit an hat er nur alle Tage ein paar Worte sprechen können, sonst ist er stumm gewesen. Da hat er denn nach und nach die Geschichte erzählt. Zu arbeiten hat er nicht gebraucht, denn er hat von dem Geschenk doch genug zu leben gehabt. Alt ist er aber nicht geworden. Und von dem hübschen Mädchen hat keiner wieder was gehört und gesehen. Sitzt wahrscheinlich noch im Bielstein.
(von August Ey)
HMG17 – Der Grasmäher ein Hund
Wo du das viele Essen lä’t, kann ich nicht begreifen.Wie nun Vesperzeit war, legten sie ihre Sensen hin, und der Vielfraß sagte zum andern:
Bleib hier, ich will einmal ins Holz.Sie waren nicht weit vom Schindanger. Er ging. Der andere ahnte nichts Gutes und schlich sich deshalb unbemerkt dahinter her.
Bald darauf sah er zu seiner Verwunderung, daß der erste bei einem ausgeschleppten und abgedeckten Pferde stand, einen Riemen aus der Tasche zog, diesen umband und gleich darauf in einen großen schwarzen Hund verwandelt wurde. Vergierig stürzte sich dieses Geschöpf auf das Aas, fing heißhungrig an zu fressen, bis die halbe Pferdekeule verzehrt war. Dann that er, als wenn er sich einige Haare aus der Seite rupfte und war in dem Augenblick der frühere Mensch wieder.
Alsdann kam er langsam zurück und begegnete jetzt seinem Kameraden, der noch stumm und starr da stand. Der aber sagte: Jetzt habe ich gesehen, woher es kommt, daß du soviel beischlagen kannst. Du hast einen Hundemagen; ich habe Alles gesehen, was du gemacht hast und
– indem er noch weiter sprechen wollte, war sein Kamerad verschwunden und Niemand hat je wieder davon etwas gesehen und gehört.
(von August Ey)
HMG08 – Die Königstochter ein Schmetterling
(von August Ey)
HMG06 – Die Schildwache
Da kam einst ein mächtiger Zauberer, der von der großen Schönheit der Prinzessin gehört hatte und wollte sie heiraten. Der König aber schlug dem Freier die Bitte ab und so die Tochter auch. Deshalb wurde der Zauberer böse und verwünschte die Prinzessin; denn er sprach: „Du sollst augenblicklich sterben, und alle Nacht um 11 Uhr aus deinem Grabe heraus steigen und bis um 12 Uhr ein Bär sein!“ Du König aber sollst alle Nacht eine Wach an das Grab stellen, und tust du das nicht, so bist auch du ein Kind des Todes.
Als er das gesagt, stürzte das blühende Mädchen tot zur Erde, der Zauberer aber war verschwunden. Man machte alle möglichen Versuche, das Mädchen zu retten, sie war aber tot und blieb tot. Weil nun alles nicht half, so wurde sie in der Kirche begraben und dem Vater brach darüber beinahe das Herz. Er erinnerte sich aber an den schrecklichen Befehl des Zauberers und ließ eine Wache an das Grab stellen.
Am folgenden Morgen bekam der betrübte König die Nachricht, das die Wache zerrissen und tot bei dem Grabe gefunden wäre; den zweiten Morgen kam die nämliche schreckliche Botschaft und so alle Tage. Das ging lange Zeit so und der König hatte fast keine Soldaten mehr, die Wache bei der verstorbenen Prinzessin stehen wollten; deshalb musste endlich jedes mal gelost werden. Da traf einst das Los einen Soldaten, der ein junger hübscher Mensch und der einzige Sohn seiner Eltern war. Als er aber gezogen hatte, wurde er ganz traurig; denn er dachte, dass es ihm nicht besser gehen würde, wie seinen andern Kameraden, die Wache bei dem Grabe standen. In seiner Verzweiflung ging er noch einmal hinaus ins Freie, er wusste aber nicht wohin; da begegnete ihm ein altes Mütterchen, das fragte ihn, warum er so traurig sei. Er erzählte ihm sein Schicksal. Das Mütterchen aber sagte, er möge nur ruhig sein; wenn er hinkomme, so solle er sich an das Grab stellen und ja nicht einschlafen, und wenn es elf schlüge, so würde ein Bär aus dem Grabe kommen, dann solle er anfangen zu laufen, Trepp’ auf, Trepp’ nieder, bis dreiviertel auf zwölf, dann aber geschwind in das leere Grab springen und ja nicht wieder herausgehen, sonst müsse er sterben. Der Soldat dankte dem Mütterchen aufs herzlichste und ging gestärkten Mutes wieder in sein Quartier zurück.
Der verhängnisvolle Abend kam heran, man brachte den Unglücklichen unter vielen Trauerbezeugungen hin in die Kirche und schloss die Tür hinter ihm zu, damit er nicht entlaufe. Er stellte sich treu dem Befehle neben das Grab und erwartete mit Klopfendem Herzen die Mitternachtsstunde. Als es Elf schlug, tat sich das Grab auf und ein Bär kam heraus. Da fing der Soldat an zu laufen immer zu, und der Bär hinter ihm drein. Als nun der Mensch bald nicht mehr laufen konnte, da schlug es endlich dreiviertel auf zwölf und geschwinde sprang er in das offene Grab und blieb darin sitzen. Da das der Bär sah, legte er sich auf’s Bitten und sagte: „Schildwache, gehe aus meinem Grabe!“ Der Soldat blieb aber steif und fest darin sitzen. Der Bär bat immer dringender und inbrünstiger, aber jener blieb im Grabe sitzen. Da schlug es zwölf Uhr und mit dem letzten Schlag tat der Bär einen Schrei, dass dem Soldaten Hören und Sehen verging und in dem Augenblick war der Bär wieder in die Prinzessin verwandelt, die stand vor dem Grabe und war wieder lebendig. Da er das sah, stieg er aus der Gruft und war froh in seinem Herzen; denn er hatte die Königstocher erlöst.
Am andern Morgen kam der König und wollte sehen, was aus dem Soldaten geworden wäre. Wie erstaunte jener aber, als dieser ihm ganz unversehrt mit der Prinzessin an der Hand entgegen kam. Da war große Freude und der König gab sie ihm zur Frau und beide lebten glücklich mit einander lange Jahre.
(von August Ey)
Die Goldene Flöte
Es war einmal ein junger Holzhauer, der hieß Zacharias, dieser ging eines Tages in den Wald an sein Geschäft. Als er nun einen dicken Baum anhieb, hörte er eine klagende Stimme, die recht bittend klang. Er hörte auf zu hauen und fragte:
Wo bist du denn?
Die Stimme antwortete Hier im Baum bin ich. Haue nur da oben, wo der weiße Strich am Baum ist ein Loch hinein.
Er tat es und nach einigen Hieben hatte er eine Öffnung in dem Baume, jetzt sah er, dass es ein hohler Baum war und bald darauf guckte ein wunderhübsches Mädchengesicht aus dem Loche und lachte ihn recht freundlich an. Er fragte: Wie bist du denn da hinein gekommen?
Da erzählte ihm das Mädchen, es sei von einem Riesen hierher gebracht und müsse so lange da bleiben, bis der Baum umgehauen würde. Der Holzhauer macht nun die Öffnung so groß, dass das Mädchen herauskommen konnte. Als es persönlich vor ihm stand, hatte es ein kleines Fläschchen in der Hand und sagte, ob er nicht zu dem Riesen gehen und ihm die Flöte holen wolle, die er ihm gestohlen hätte und ohne welche es nicht hier von der Stelle und sein Schloß beziehen könne; es war ein reiches Edelfräulein. Der Riese aber wohne in einer großen Höhle hinter jenem großen Berge und habe die Flöte beständige bei sich, auch wenn er schlafe.
Augenblicklich war der Holzfäller dazu bereit und machte sich mit seiner Axt und auf den Weg zu dem Riesen. Es dauerte nicht lange, so kam er zu einem großen Berge, in dem der Riese wohnte. Auch fand er bald die Höhle, vor welcher der Riese in ein Bärenfell gekleidet saß. Mit Angst im Herzen ging der Holzhauer dem Riesen näher und grüßte ihn freundlich, doch dieser fuhr ärgerlich auf ihn zu und fragte ihn, was er Zwerg hier wolle.
Der aber sagte, er habe sich hier im Walde verloren, sei ein Holzhauer und bitte ihn, ob er wohl nicht diese Nacht bei ihm bleiben dürfe. Darauf wurde der Riese wieder ruhiger und sagte, er könne da bleiben, müsse aber das Holz klein machen, was vor der Höhle läge. Das tat dann auch der junge Mensch, darauf wies ihm der Riese einen Winkel in der Höhle zu, wo er schlafen solle. Der Holzhauer legte sich nun hin und tat, als wäre er fest eingeschlafen. Er schlief aber nicht.
Wie nun der Riese eingeschlafen war, stand der Holzhauer leise auf, nahm seine Axt, schlich sich leise nach dem Ungeheuer hin und gab ihm einen solchen Schlag auf den Kopf, dass er das Aufstehen vergaß, dann hackte er ihm den Kopf ab und nahm ihm die Flöte weg, die er auf der Brust unter dem Bärenfell stecken hatte. Hiernach machte er sich mit seiner Beute wieder auf den Weg nach dem Baum, wobei das Mädchen noch immer stand und das Fläschchen in der Hand hielt. Als es ihn sah, freute es sich und er musste ihm erzählen, wie er die gekriegt hätte.
Da er nun auch sagte, er habe den Riesen erst tot geschlagen und so die Flöte von seiner Brust genommen, so war die Freude des Mädchens ganz unbeschreiblich. Es setzte das Mädchen auf die Erde, nahm die Flöte und spielte ein wundersames Lied darauf. Mit dem Ende des letzten Tones tat das Mädchen einen Knall, dass der Holzbauer bewusstlos zur Erde stürzte.
Beim Erwachen lag Zacharias in einem schönen Garten und das hübsche Mädchen stand vor ihm und trocknete ihm den Schweiß ab, ließ ihn an dem Fläschchen riechen und dadurch wurde er wieder gesund., wie er vorher gewesen war. Dann fasste sie ihn an der Hand und sprach mit einer seelenvoll freundlichen Miene, du hast alles erlöst, du wirst von jetzt an mein Gemahl und der Herr dieser Güter sein.
Hierauf führte sie ihn in das schöne Schloss, das in dem Garten stand und so wohnte er mit der schönen Jungfrau darin. Nachher schafften sie sich Bediente, Wagen und Pferde an und hielten Hochzeit mit einander. So war aus dem armen Holzhauer Zacharias ein großer und reicher Mann geworden und ist es auch geblieben für sein Lebelang.
(von August Ey)